In den letzten Jahren ist es normal geworden, dass sich die Tierfuttermittelindustrie immer kreativere, “individuellere” und somit verrücktere Rezepturen und Bezeichnungen für Futtermittel ausdenkt (für Stadthunde oder Wohnungskatzen, spezielle Rassefutter (jaaaa, es gibt tatsächlich Futter extra für jede Rasse!), für futtersensible und auch psychisch sensible Tiere, LowFat, LowCarb usw.), unsere Tiere unterm Strich aber von Jahr zu Jahr kranker werden. Immer früher. Immer schlimmer. Und oftmals in einer Komplexität, der auch durch intensive Therapie kaum mehr beizukommen ist.
Wir sind so daran gewöhnt, hochtrabenden Werbeversprechen hinterher zu hecheln, dass wir vor lauter Begeisterung über die super-fancy Zusätze und Superfoods im Futter vergessen, auf die eigentliche Rezeptur zu gucken. Was ist wohl gesundheitsförderlicher? Ein artgerechtes, hochwertiges Futter, das den natürlichen Ernährungsbedürfnissen des Tieres entspricht – oder ein mit Moringa, Chiasamen oder Granatapfelkernen gepimpter Einheitsbrei aus dem Bodensatz der Schlachthofkloake?
Die “renommierte” Stiftung Warentest scheint hier keinen Unterschied zu machen. Immer wieder werden schön regelmäßige Tests von Hunde- oder Katzenfuttern veröffentlicht, die jede:n halbwegs ernährungskundigen Hunde- oder Katzenbesitzer:in, Ernährungsberater:in und Tiertherapeut:in fassungslos zurücklassen ob der Schwachsinnigkeit und Irreführung der angeblich “unabhängigen” Ergebnisfindung.
Unter den Testsiegern sind fast immer – sowas aber auch! – Discounter-Produkte, was in den Online- und Analogmedien prompt Jubelstürme hervorruft: “Gutes Hunde- und Katzenfutter muss nicht teuer sein!”, schreit es plötzlich von sämtlichen Newsfeeds, und schon wird eifrig proklamiert, man könne sein Tier problemlos mit Nahrung füttern, die für 30 Cent pro 100 g zu haben ist. Bedauerlich aber, dass keiner sich die Mühe macht, die Deklaration in Augenschein zu nehmen: “Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse (u.a. 4% Huhn), Mineralstoffe, pflanzliche Nebenerzeugnisse (0,4% Inulin)” heißt es da unter anderem.
Ist damit eindeutig, was dem Tier da wirklich gefüttert wird? Vom Anteil von “Fleisch und tierischen Nebenerzeugnissen” sind 4% vom Huhn. Herzlichen Glückwunsch. Von was sind denn die anderen 96%? Und was genau da “vom Huhn” verarbeitet ist, erfahren wir leider auch nicht. Wirklich Fleisch? Innereien? Knochen? Oder doch nur Abfallstoffe wie Federn, Krallen und Schnäbel, die gnadenlos durch jegliches Qualitätsraster fallen? Denn auch diese dürfen ebenfalls unter der Deklaration „tierische Nebenerzeugnisse“ enthalten sein und das völlig legal und rechtlich korrekt.
Dass so ein Futter dennoch die Bestnote “sehr gut” erhält, ist einem ernährungsphysiologischen Paradoxon zu verdanken. Und das lautet – ganz lapidar ausgedrückt – : Scheiß egal, wie minderwertig und artwidrig das Futter ist. Wenn es so sehr mit künstlichen Zusätzen gespickt ist, dass es rein rechnerisch den Nährstoffbedarf des Tieres decken kann, geben wir ihm ein „sehr gut“ und empfehlen es lautstark weiter – auf dass alle Tierbesitzer die teuren, weil hochwertigen Futtermittel im Regal stehen lassen und wie bekloppt in den Discounter rennen.
Funfact Nr. 1: Die Bedarfswerte laut FEDIAF (Verband der europäischen Tierfutter-Industrie) wurden erhoben anhand völlig willkürlicher und künstlicher Laboranordnungen, die untersuchten, welche Zusätze man einer Grundfuttermischung in welchem Maße zusetzen muss, damit es bedarfsdeckend ist und als “Alleinfutter” gehandelt werden kann. Völlig außer Acht gelassen wurden dabei die natürlichen Ernährungsbedürfnisse und die hochspezialisierten Stoffwechselbesonderheiten von Katzen und Hunden. Ein “Laborfutter”, das unter anderem auf Getreide und tierischen Fett-Abfallprodukten besteht, ist keine vernünftige Ausgangsbasis für die Untersuchung, wie viel z.B. Zink, Calcium oder Magnesium einem Futter zugesetzt werden muss, um den tatsächlichen Bedarf zu decken.
Futtermittel, die als empfehlenswert und hochwertig bekannt sind, sich immer größerer Beliebtheit erfreuen und sich tatsächlich an den Nahrungsansprüchen von Hunden und Katzen orientieren, haben die Tests der Stiftung Warentest nicht bestanden bzw sind gar nicht in die Tests mit aufgenommen worden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… Ob es an der offenen und damit aussagekräftigen Deklaration liegt? Nein, das sind keine Kritikpunkte des Testkomitees. Aber dass in den Fertigfuttern meist „zu viel Fleisch enthalten“ ist, stößt den Prüfer:innen offenbar sehr sauer auf. Der Zynismus, Getreide als wertvolle Ballaststoffquelle und damit als “verdauungsförderlich” zu deklarieren, ist unübertroffen. Naja, nicht ganz: Einem hochwertigen Nassfutter hat die Stiftung Warentest mal angekreidet, mit dem Zusatz “zuckerfrei” zu werben, wo doch bis zu 2% Zucker gänzlich unproblematisch seien. Nur mal am Rande, für die, die es mit einfachem logischem Menschenverstand noch nicht verstanden haben: Zucker hat in KEINEM Tierfutter etwas zu suchen, in keiner Form, in keiner Menge! Auch nicht nur 2%!
Funfact Nr. 2: Keine Ahnung, ob sich die Herr- und Damschaften wirklich mit dem Verdauungstrakt und den Stoffwechselfunktionen unserer Tiere befasst haben, bevor sie ihre Laboranordnungen aus dem Boden stampften. Traurige Tatsache ist doch: Wer seine bislang hochwertige Fütterung beiseite wirft zugunsten einer denaturierten Fertigpampe, die einmal freudig durch den Chemiebaukastensatz gewälzt wurde, riskiert auf lange Sicht die Gesundheit seines Tieres.
Funfact Nr.3: Die Stiftung Warentest hat allen Ernstes ein veganes Fertigfutter geprüft, das für Hunde und Katzen gleichermaßen “geeignet” sein soll. Leider kann ich die Zeilen hier nicht mit so vielen Anführungszeichen füllen, wie ich eigentlich möchte. Punkt 1, liebe Tierfuttermittelhersteller: Wie zur Hölle soll ein Futter zugleich für Hund und Katze konzipiert sein? Eine Katze hat rein metabolisch betrachtet gänzlich andere Ansprüche an ihre Ernährung als ein Hund. Und Punkt 2: Veganes Katzenfutter – what the fuck? An der Stelle ist es mir pupsegal, ob hier zu wenig Jod oder zu wenig Zink oder (oh Wunder, Wunder!) zu wenig Proteine enthalten sind und das “Futter” – wenn man das überhaupt noch so nennen kann! – durch das “Qualitäts-“Raster gefallen ist. Der Anteil pflanzlicher Kost gerade in Katzenfutter sollte allenfalls dem entsprechen, was die Katze beim Verzehr ihres Beutetieres durch Magen- oder Darminhalt, Fell oder Gefieder abschluckt. Beim Barfen verwenden wir für Katzen daher allenfalls 3 bis 5% Gemüse in unserer Ration, bei Hunden maximal 20-30%.
Jetzt mal deutlich:
Scheiß auf Stiftung Warentest! Man kann – immer wieder! Jahr für Jahr! – nur fassungslos sein, welcher Schwachsinn und welche Fehlinformationen da durch die Medien gestreut werden, und diese nichts Blöderes zu tun haben, als eifrig zu copy-pasten und so für Verwirrung, Frustration und blinden Aktionismus sorgen. Ein hochwertiges Futter KANN NICHT so billig sein! Wie viel hochwertige Zutaten können in einem Futter enthalten sein, das 30 Cent pro 100 g kostet oder 3 Euro pro Kilogramm??? Der Hersteller muss ja auch noch etwas daran verdienen.
Ganz ehrlich: anders als mit “Komm, wir verdienen uns eine goldene Nase daran, dass wir die Leute verarschen und durch gravierende Qualitätsmängel Leib und Leben der von uns ach-so-geliebten Haustiere gefährden” sind solche Vorstöße einfach nicht mehr zu erklären.
(Dieser Text stammt zu großen Teilen von Franzisca Flattenhutter, Tierheilpraxis Augsburg. Danke für die Inspiration!)